Wie Glücklicher-Sein gehen kann: Vier Aspekte von Wohlbefinden
In einer Publikation aus dem Jahr 2020 fassen Dahl et al. den Stand des Wissens über Interventionen für mehr Wohlbefinden zusammen und finden vier Kern-Dimensionen. Hier stellen wir sie euch vor. 14min
Dahl, C. J., Wilson-Mendenhall, C. D., & Davidson, R. J. (2020). The plasticity of well-being: A training-based framework for the cultivation of human flourishing. Proceedings of the National Academy of Sciences, 117(51), 32197-32206.
Dieser Text ist sowohl eine Zusammenfassung, als auch ein Kommentar. Wo er den Inhalt der Studie wiedergibt ist er normal formatiert. Wo ich meine Gedanken und Querverbindungen anmerke, ist der Text kursiv formatiert. So könnt ihr euch aussuchen, was ihr lesen wollt.
Einführung
Glück im Leben ist ein grundlegender Motivator. Vielleicht ist die Funktion von Freude sogar, uns zu für uns und die Art förderlichem Verhalten anzuregen. Und so sind im Lauf der Geschichte verschiedenste Vorstellungen davon entstanden, wie dieses Glück am besten zu erreichen sei. Bevor wir in den Inhalt der Publikation starten, möchte ich eine kurze Kontextualisierung anbieten. Los geht’s:
Dieses Verständnis des Pursuit of Happiness, Teil der Deklaration der Unabhängigkeit der USA, hat Kultstatus erreicht. Und auch in Europa ist die Erzählung dominant, dass es darum geht, im eigenen Leben, etwa durch Erfolg im Beruf, eine Bilderbuch-Ehe, zwei Kinder und einen Hund usw. das perfekte Glück zu erreichen. “Jeder ist seines Glückes Schmied.”
Diese Vorstellungen von Glück sind, aus unserer Sicht, etwas einseitig. Durch einen starken Fokus auf materialistischen Gewinn geraten andere, noch wichtigere Aspekte aus dem Blick. Dazu könnt ihr an anderer Stelle mehr erfahren, also gehe ich hier nicht ins Detail. Kurz gesagt wird durch dieses Aus-dem-Blick-Geraten jedenfalls unser Wohlbefinden reduziert. Wenn man sich nur diese materialistischen Wege zum Glück vorstellen kann, fokussiert man dann nur noch mehr auf sie, das ist wieder unbefriedigend und die Spirale dreht sich weiter. Nicht nur geht es uns damit nicht so gut, die unendliche Steigerung materieller Ressourcen-Ausbeutung und Produktion zerstört auch unsere Lebensgrundlage.
Doch es gibt eine gute Nachricht: Das muss nicht so sein. Denn was uns glücklich macht, ist um einiges vielfältiger. Hier werden wir vier Kerndimensionen dessen erkunden, was man tun kann, um glücklicher zu sein. Kleiner Spoiler: Mit Status und Besitz hat es wenig zu tun. Mit der Zerstörung unserer Lebensgrundlage ebensowenig.
Wie kommt man darauf? Methodik
Es gibt eine Reihe verschiedener Arten wissenschaftlicher Studien. Dies ist eine sogenannte Meta-Analyse. Dabei werden keine neuen Daten erhoben (wie das etwa ein Experiment oder eine korrelative Studie tun), sondern die bestehende Literatur wird analysiert und zusammengefasst. Es geht darum, was man alles aus dem bestehenden Wissen schließen kann, indem man größere Zusammenhänge betrachtet.
Dahl et al. haben also die vorhandene Literatur zu Interventionen durchforstet und analysiert. Dabei fiel ihnen eine Lücke auf, die sie mit diesem paper schließen wollen:
Diese Lücke adressieren sie, indem sie verschiedene Ergebnisse zu funktionierenden Interventionen in ihrem Framework zusammenfassen.
Das framework: Vier Dimensionen
…wurden gefunden, die die verschiedenen Interventionen abbilden. Was sich also bisher an Glücklicher-Machendem gezeigt hat, lässt sich in diesen vier Punkten beschreiben. Merkt sie euch, und ihr habe einen groben Überblick über die derzeitige Kenntnis dazu, was Menschen glücklicher macht. Gratulation! ;-).
An dieser Stelle muss der übliche Disclaimer gesetzt werden: Diese vier Faktoren beziehen sich auf Situationen, in denen die physischen Grundbedürfnisse erfüllt sind, wie zB. Wärme, Nahrung, Sicherheit usw. Einem von Obdachlosigkeit betroffene Menschen können sie zwar auch helfen, aber die Priorität muss dennoch bleiben, dass er von der Straße wegkommt.
Damit zurück zu den vier Faktoren, mit denen man Glück steigern kann:
Awareness (Bewusstheit)
Insight (Einsicht)
Connection (Verbindung)
Purpose (Sinn)
Bewusstheit
Man ist sich bewusst darüber, was man gerade tut, wo und mit wem, was im Umfeld passiert und was man innerlich erlebt – körperliche Gefühle, Emotionen und Gedanken. Eine Korrelation mit höherem Wohlbefinden zeigte sich in mehreren Studien.
“Eine großangelegte Studie mit mehr als 5.000 Menschen aus 83 Ländern ergab, dass die Menschen im Durchschnitt schätzungsweise 47% ihres wachen Lebens in einem Zustand der Ablenkung verbringen und Zustände der Ablenkung durch ein geringeres Wohlbefinden gekennzeichnet sind.” (ebd., S. 32198).
Bewusstheit ermöglicht es auch, zu bemerken, wenn man abgelenkt ist, eigene Emotionen wahrzunehmen und auf sie zu reagieren, anstatt ihnen ausgeliefert zu sein, usw. Dies führt zu einer Reihe von positiven Einflüssen auf, zum Beispiel, akademische Leistungen, Fahrsicherheit, psychische Gesundheit und Wohlbefinden.
Auf neurologischer Ebene zeigt sich, dass Bewusstheit den lateralen präfrontalen Kortex aktiviert, der Teil des Zentralen Exekutiven Netzwerks ist – abnormale Funktion dessen ist mit Krankheiten wie Schizophrenie, Depression, Angststörungen und anderen assoziiert.
Diese Fähigkeit ist trainierbar und vielfältige Methoden existieren dazu. Im Appendix geben die Autor*innen einige an und ich nenne euch eine Auswahl davon:
Jüngere interventionen
Mindfulness-based Stress Reduction (MBSR)
Mindful Self-Compassion (mindfulness component)
Acceptance and Commitment Therapy (mindfulness Component)
Traditionelle Praktiken
Atmenzüge zählen (Zen)
Körper-Achtsamkeits Praktiken (Zen/Tibetischer Buddhismus)
Centering Prayer (Christlich)
Einsicht
Darin liegt die Stärke der Einsicht: Sie ermöglicht uns, Glaubenssätze über uns zu erkennen und zu verändern, die uns ansonsten weiter belasten würden.
Eine damit verbundene Forschungsrichtung, die ich sehr spannend finde, wird Mentale Flexibilität genannt. Zusammenfassend geht es darum, dass es uns allgemein umso schlechter geht, je rigider unser Selbstkonzept ist. Wenn es dagegen flexibel und veränderbar ist, geht es uns eher besser. Hierüber muss ich aber noch mehr erfahren, bevor ich darüber schreiben kann. Steht jedenfalls auf der Liste!
Insgesamt ist diese sog. “Selbstkonzept-Klarheit” stark mit erhöhtem Wohlbefinden assoziiert, auch wenn die genauen Beziehungen, die dazu führen, komplex sind. Bisher kommt sie in modernen Vorstellungen von Glück und Wohlbefinden kaum vor, was die großen Chancen aufzeigt, die noch darin liegen.
An dieser Stelle muss Einsicht abgegrenzt werden von etwas, das das Gegenteil bewirkt: Grübeln. Es geht also nicht darum, die Aufmerksamkeit konstant auf vermeintliche Makel und Fehlleistungen zu lenken und die Gedanken darum kreisen zu lassen—das würde eher zu Depressionen beitragen. Vielmehr ist ein offenes Erkennen dessen, was da ist, gemeint, das sich nicht in Urteilen dazu verliert.
Bei verschiedenen Trainingsmethoden geht es vor allem darum, Glaubenssätze zu erkennen, die uns belasten, und sie dekonstruieren zu können. Hier gibt es eine starke Verbindung zum Thema der Grundannehmen und Narrative, das für uns als flourishing society im Zentrum steht – wie etwa der Grundannahmen darüber, was zu Glück beiträgt. Im Buch Erzählende Affen beschreiben Samira El Ouassil und Friedemann Karig eine “narrative Konstruktion des Selbst”: Um uns trotz all der Veränderungen, die wir dauernd durchlaufen (bist Du zB. gerade in derselben Stimmung wie heute morgen? Oder gestern Abend?) als konstante Entität wahrzunehmen, formen wir unser Selbst als erzählerischen Prozess. Statt einer fixen Kontinuität gibt es eine narrative Kontinuität. Narrative und Grundannahmen werden damit für uns existenziell konstituierend. Sie zu ändern, ändert unsere Wahrnehmung unserer Selbst und der Welt.
Jüngere interventionen
Cognitive Behavior Therapy (CBT)
Mindfulness-based Cognitive Therapy
Cultivating Emotional Balance (emotion recognition component)
Traditionelle Praktiken
Analytische Meditation (Tibetischer Buddhismus)
Vier Grundlagen der Achtsamkeit (Buddhism generell)
Muraqaba (Sufi)
Verbindung
Kommt euch das bekannt vor? Wir haben es auch auf der Seite “Zukunftsfähigkeit” hervorgehoben. Dahl et al. definieren es so:
Insbesondere geht es hier um Dankbarkeit und Wertschätzung für andere und darum, die gemeinsame Menschlichkeit mit anderen zu erkennen.
Diese Gemeinsame Menschlichkeit (auf Englisch shared humanity) ist auch einer von drei Punkten, die laut Gerber und Neff Selbstmitgefühl definieren. Die anderen beiden sind self-kindness und mindfulness. Das Gegenteil von Selbstmitgefühl sehe ich als sogenannte globale negative Selbsturteile (zB. “Ich bin einfach blöd / schlecht / nicht wert, geliebt zu werden”, usw.). Dies korreliert mit Depression (r = .43) (siehe Kim, S., Thibodeau, R., & Jorgensen, R. S. (2011). Shame, guilt, and depressive symptoms: a meta-analytic review. Psychological bulletin, 137(1), 68. https://doi.org/10.1037/a0021466).
Verbindung kann insbesondere durch “Prosoziale Personen-Konstruierungen” (PPS) gestärkt werden. Einfach ausgedrückt: Wenn ich mit der Annahme durch die Welt gehe, dass alle anderen Arschlöcher sind, werde ich viel weniger schöne Begegnungen erleben, als wenn ich von vornherein annehme, dass andere Menschen prinzipiell freundlich sind und ebenso ihr Bestes versuchen wie ich. Letzteres ist so eine Prosoziale Personen-Konstruierung. Ihr seht, auch hier spiele Grundannahmen eine Rolle. Und wo geht man noch einmal davon aus, dass Menschen prinzipiell egoistisch sind? Genau, in der Wirtschaft, in politischen Systemen, und vielen anderen. Deshalb ist diese Grundannahme auch die Zweite, die zu beeinflussen wir uns vorgenommen haben.
“Einsamkeit schadet genauso wie Rauchen” titelte der Spiegel schon 2010. Gute Beziehungen sind laut der Harvard Study of Adult Development auch der wichtigste Faktor für Gesundheit, Lebensdauer und Lebenszufriedenheit (siehe Zitat oben). Weiters sind sie ein Puffer und Schutz gegen psychische Erkrankungen. Hierbei bringt es etwas, auf positive Qualitäten und Handlungen von anderen zu fokussieren. Das ist ein Tipp, den ich selbst mehr beachten möchte – ich denke, ich werde PPS regelmäßig in meinem Tagebuch notieren.
Es gibt eine Reihe von Methoden, um Verbindung zu stärken. Neben den erwähnten (Dankbarkeit und Wertschätzung sowie PPS) seht ihr einige in den Interventions-Listen unten. Evidenz zeigt außerdem, dass diese – während sie uns glücklicher machen – auch Verhalten verstärken, das für unsere Gesellschaften insgesamt gut ist. Zum Beispiel schwächten solche Interventionen in einer von Dahl et al. zitierten Studie Diskriminierung gegenüber marginalisierten Gruppen – wobei die Autor*innen darauf hinweisen, dass noch mehr Forschung nötig ist, um sichere Aussagen treffen zu können. Aber nur um es festzuhalten: Wohlwollende Betrachtungen von anderen Menschen führen vielleicht zu weniger Diskriminierung. Vielleicht denkt ihr daran, wenn ihr das nächste Mal empörte und verurteilende Social-Media Posts zum Thema lest.
Jüngere interventionen
Compassion Cultivation Training
Gratitude interventions
Mindful Self-Compassion (compassion component)
Traditionelle Praktiken
Bodhicitta Meditation (Tibetischer Buddhismus / Zen)
Intercessory prayer (Christlich)
Liebende Güte und Mitgefühl (Theravada-Buddhismus, Tibetischer Buddhismus)
Sinn
Dies beinhaltet sowohl, dass man solche Klarheit hat als auch, dass man sie im Alltag leben und verkörpern kann. Es zeigen sich vielfältige heilsame Effekte:
Außerdem macht ein starker Sinn im Leben auch resilienter gegen Krisen und psychische Erkrankungen.
In Österreich wusste das wohl kaum jemand so gut wie Viktor Frankl, der im Leid des NS-Konzentrationslagers die im wörtlichsten Sinne Leben rettende Kraft des Sinnes erkannte und daraus seine Logotherapie entwickelte.
Es geht also um das In-Sich-Finden und Verkörpern von Werten. Werte können intrinsisch oder extrinsisch sein. Intrinsisch bedeutet innewohnend, also aus dem eigenen Sein und Wollen entstehend – zum Beispiel ist man zum Spielen intrinsisch motiviert, weil es nichts anderem bedarf als der eigenen Freude an der Tätigkeit selbst. Dagegen sind extrinsische Motivationen außerhalb verankert, wie zum Beispiel eine Arbeit, die man nur ausführt, weil man dafür bezahlt wird und aus keinem anderen Grund.
Hier wurde gezeigt, dass extrinsische Werte eher mit geringerem Wohlbefinden und pessimistischeren Selbsteinschätzungen einhergehen. Intrinsische Werte dagegen, insbesondere jene, die über das eigene Selbst hinausgehen (wie etwa, sich um jemanden zu kümmern oder für eine Sache einzusetzen, die größer ist, als man selbst) sind dem Wohlergehen förderlich.
Sinn kann, wie die anderen Dimensionen auch, durch verschiedene Techniken gestärkt werden. Dabei konnten viele wunderbare Effekte beobachtet werden. Darunter sind zum Beispiel stärkere Resilienz, gesünderes Verhalten, neurologische Veränderungen, Reduktion von Depression und Stress, höhere Selbstbeherrschung, weniger Grübeln, und besserer Umgang mit Informationen, die das eigene Selbst- und Weltbild infrage stellen. Insbesondere wird betont, dass die Fähigkeit und Möglichkeit, die eigenen Werte im Alltag zu leben, ein essenzieller Bestandteil von flourishing ist.
Es gibt aber, wie wir gesehen haben, dabei etwas zu beachten: Diese Effekte zeigen sich nur bei intrinsischen, nicht auf das eigene Selbst ausgerichteten Werten. Extrinsische, selbstbezogene Werte (wie zB. das Streben nach Reichtum und Status) dagegen zeigten keine solchen heilsamen Resultate.
Wenn ihr wollt, könnt ihr euch diesen letzten Absatz ein paar mal durchlesen. Ich musste das jedenfalls tun. Denn wir sind umgeben von Botschaften, die uns einreden, dass es genau das ist, worauf es im Leben ankommt: Besitzt und Status für sich selbst anzuhäufen, andere in der Konkurrenz darum auszustechen, hinter sich zu lassen, sich abzuheben usw. Wie entspannend und erleichternd könnte eine Gesellschaft sein, die darin fundiert ist, füreinander da zu sein…
Oft dominieren in unserer derzeitigen Gesellschaft Systeme, die extrinsische, selbstbezogene Motivationen hervorheben. Schulnoten. Gehaltserhöhungen. Boni. Likes und Herzen auf Social Media. Werbe-Botschaften, die uns sagen, dass wir nur durch Besitz und dessen Herzeigen genug sein können. In der Wissenschaft Indizes wie der Hirsch-Faktor oder ResearchGate-Score. Titel. Ihr könnt die Liste gerne fortsetzen. Und ich denke, ich verstehe, wo das herkommt.
Die “Unsichtbare Hand” des Marktes wird oft gesehen als das Mittel, “aus Egoismus Gemeinwohl” zu machen. Die beruht auf der Annahme, dass Menschen egoistisch sind, wie sie schon lange im europäischen Denken präsent ist. Sie ist es, die Systeme der Herrschaft und Kontrolle fördert, die letztlich nicht auf Wohlwollen und Vertrauen, sondern auf Furcht und Zwang beruhen. Wenn man von der Annahme des universellen Egoismus ausgeht, sind all diese Strukturen vollkommen begründete Wege, menschliche Bedürfnisse wie Sicherheit, Beständigkeit, Anerkennung usw. zu erfüllen. Leider aber mit, wie wir gesehen haben, schwerwiegenden Kosten für uns alle – von psychischem Wohlbefinden bis zum Überleben unserer Zivilisation. Wenn wir dies mit Wohlwollen und Mitgefühl klar erkennen, können wir uns Schritt für Schritt davon lösen. Denn wissenschaftliche Studien wie diese – und es gibt viele davon – geben uns die fundierte Grundlage, solche pessimistischen und teuren Grundannahmen hinter uns zu lassen.
Bevor wir diesen Denkweg fortsetzen, habt ihr hier noch eine Auswahl an Methoden, mit denen Sinn gestärkt werden kann. Sie zeigen, dass es möglich ist.
Jüngere interventionen
Acceptance and Commitment Therapy (values component)
Signature strengths interventions
Well-being Therapy
Traditionelle Praktiken
Contemplations of Mortality (verschiedene Traditionen)
Four Thoughts (Tibetischer Buddhismus)
Ignatian discernment (Christlich)
Was sein kann…
"Wir betrachten dieses Modell nicht als abgeschlossen, sondern gehen davon aus, dass künftige Forschungen das, was wir hier vorgestellt haben, verfeinern und erweitern werden. Nichtsdestotrotz ist es unser aufrichtiges Bestreben, dass diese bescheidene Bemühung weitere Forschungen auf diesem Gebiet anregt, die Entwicklung neuer Messmethoden für das Wohlbefinden anregt und, was am wichtigsten ist, zur Entwicklung robuster Interventionen zur Verringerung des Leidens und zur Verbesserung des Wohlbefindens auf der ganzen Welt beiträgt." - S. 32202 und 32203
Stellen wir uns eine Gesellschaft vor, die unter anderem auf Bewusstheit, Einsicht, Verbindung und Sinn beruht. In der wir Freude daran haben, uns umeinander zu kümmern. Freude an dem, was wir tun und unsere Arbeit so Spiel für uns ist (und wir würden mehr Zeit haben, da wir nicht blind arbeiten müssen, nur damit es Arbeitsplätze gibt, weil Lohn und die Strafe der Arbeitslosigkeit als einzig mögliche, extrinsische Motivation gesehen wird). In der wir gute Beziehungen als das Wichtigste ansehen und einander begegnen und verstehen können (und entsprechend mehr öffentliche Räume der Begegnung zur Verfügung stünden). In der wir nicht an immer neuen Ablenkungen arbeiten, weil wir unseren Schmerz nicht spüren wollen, sondern uns in Bewusstheit üben und dadurch frei werden von leidbringenden Selbst-Konzeptionen (wie würde etwa die Stadt ohne all die Werbeplakate und Infoscreens aussehen? Vermutlich würden wir mehr Freude am Spazieren finden). In der wir genug sind, wie wir sind. In der wir uns gemeinsam am Leben erfreuen.
Bei den Tagen der Transformation von Globart im September 2023 im Stift Melk war Ilya Trojanow zu Gast, um aus seinem neuen Roman Tausendundein Morgen vorzulesen. Ich habe kaum ein Werk gesehen, in dem solch eine Utopie so schön erzöhlt wird. Konkurrenz… Pardon, Ergänzung findet es für mich lediglich in Michael Ende’s Momo und Die Unendliche Geschichte sowie Ursula Le Guins Romanen, wie etwa The Left Hand of Darkness, The Word for World is Forest und ganz besonders The Dispossessed.
In dieser Zeit, in der Jahrtausende alte Glaubenssätze in den Stürmen und Überflutungen der ökologischen Krise zerbrechen, ist es umso wichtiger, dass wir die Lampe der Vorstellungskraft ergreifen und damit neue Wege in die Zukunft erleuchten. Die Wissenschaft dazu gibt es. Fangen wir an, mit ihr zu träumen, sie auszuprobieren, Fehler zu machen und zu lernen, ein Gefühl dafür zu bekommen, und vor allem: Einander davon zu erzählen. So können aus Texten wie diesen vielleicht irgendwann Zukünfte werden.
PS: Wenn ihr diese vier Aspekte von Wohlergehen selbst üben wollt, gibt es dazu eine Möglichkeit. Letztautor (gewissermaßen der Ehrenplatz in einem Zitat) dieser Publikation ist Richard Davidson. Er ist Gründer und Direktor des Centre for Healthy Minds, das eine App herausgebracht hat, mit der man diese vier üben kann. Meine ersten Eindrücke davon sind wirklich gut und bessere wissenschaftliche Fundierung wird man schwer finden. Hier ist sie: https://hminnovations.org/meditation-app