Glimpses of Flourishing: Mensch-Natur-Beziehung

Dieser Artikel ist Teil von: “Glimpses of Flourishing – eine Foto-Ausstellung über fundierte Hoffnung” auf der Beyond Growth Conference 2024

Um eine erfolgreiche und nachhaltige Zukunft zu gestalten, ist der erste entscheidende Schritt, sie sich vorzustellen. Oft machen uns pessimistische Narrative blind für das enorme Potenzial einer aufblühenden Gesellschaft. Deshalb haben wir eine Reihe von wissenschaftlich untermauerten, KI-generierten Bildern entwickelt, um neue Narrative sichtbar zu machen - die schließlich zur Basis neuen Handelns werden könnten.

Konzept und Inhalt: the flourishing society
Fotos: Tom Poe (Artists for Future), unterstützt durch KI.
Die Ausstellung wurde finanziert durch das EU-Umweltbüro

 

Was siehst Du, wenn Du in den Spiegel schaust?

 

Was siehst Du, wenn Du in den Spiegel schaust?

Einen Menschen. Homo sapiens. Die Spezies, die sich über die Natur erhoben hat, sie sich untertan gemacht hat, sich von ihren Zwängen befreit und emanzipiert hat?

Auch wenn das in unserer schnelllebigen, hochgradig technologisierten Welt manchmal in Vergessenheit zu geraten droht, sind wir keineswegs losgelöst von der Natur, sondern vielmehr aufs Tiefste mit ihr verbunden. Und das gleich auf mehrere Arten und Weisen!

Was fällt Dir als erstes auf die Frage ein, auf welche Weise du dich verbunden mit der Natur fühlst?


1. Eine Antwort könnte zum Beispiel lauten: Wenn ich im Wald spazieren gehen. Damit wird eine Art der Beziehung angesprochen, die sich vor allem auf die Erfahrung, die wir in und mit der Natur machen, beruft. Die direkte, persönliche Interaktion mit der Umwelt. Wenn wir, wie gesagt, einen Spaziergang durch den Wald machen oder den Regen auf unserer Haut spüren, wenn wir unsere Zimmerpflanzen gießen oder Unkraut jäten, wenn wir den Vögeln in der Abenddämmerung lauschen – dann machen wir unsere eigenen Erfahrungen mit Natur. Die Qualität der Erfahrung kann natürlich sehr variieren- so sind auch das Erleben von Naturkatastrophen eine Art der Erfahrung, die unsere Beziehung zur Natur prägen kann.

 
2. Eine weitere Antwort auf die Frage könnte sich zum Beispiel auf die Ressourcen beziehen, die wir tagtäglich unserer Umwelt entnehmen. Wasser, Nahrungsmittel, das Land auf dem wir leben, fruchtbarer Boden, Sonnenstrahlen, seltene Erden, Holz, Stein, Diamanten... Der Mensch entnimmt und nutzt diese Dinge, die uns die Natur einfach so zur Verfügung stellt, und hinterlässt ihr wiederum die Reste, die aus unseren sozioökonomischen Systemen hervorgehen – zum Beispiel Emissionen oder Abfall. Diese Interaktion beschreibt unsere materielle Verbindung zur Natur und sie ist für uns überlebenswichtig.


3. Eine dritte Art der Verbindung ist kognitiv. Diese umfasst unser Wissen und Bewusstsein für unsere natürliche Umwelt, genauso wie unsere persönlichen Einstellungen und Werte ihr gegenüber. Es spielt eine Rolle, wie viel wir über die Natur und ihre komplexen, faszinierenden Prozesse und Phänomene wissen. Es macht bspw. einen Unterschied, ob ich nur totes, morsches Holz irgendwo im Weg rum liegen sehe oder ob ich da ein Habitat erkenne, das vielen Arten und Spezies ein Zuhause, einen Lebensraum bietet.


4. Auch auf emotionaler Ebene sind wir in Verbindung mit Natur. Diese emotionale Verbindung hängt auch eng zusammen mit den Erfahrungen und Erlebnissen, die wir im Laufe unseres Lebens in der Natur gemacht haben und können zum Beispiel auch eine große Rolle dabei spielen, ob und wie sehr wir uns für Umweltschutz einsetzen (Kals et al. 1999). Denke mal an deine Kindheit zurück und überlege, welche Rolle Natur da für dich gespielt hat. Was hat damals dein Sein in der Natur geprägt? Welche Erlebnisse, Emotionen, Gerüche und Geräusche kommen dir da in den Sinn? Und welche Emotionen sind mit diesen Erinnerungen heute verbunden? Ich denke gerade an die Tauben, die ich immer gehört habe, als ich im Dachzimmer des alten Hauses meiner Großmutter übernachtet hab. Immer wenn ich heute Tauben gurren hör, denke ich an das Haus, den großen Garten mit den bunten Malven und Nachtkerzen, denen wir in der Dämmerung beim Öffnen zugesehen haben. Ich denke auch an die haushohen Brennnesseln, in die ich einmal hineingefallen bin – das gab viele Tränen – und ich denke an die uralte Trauerweide, auf der man so herrlich sitzen, Tagträumen und sich Geschichten ausdenken hat können…


5. Letztlich gibt es auch eine philosophische Perspektive auf die Natur, die uns mit ihr in Verbindung setzt: Hier kann es um die Auseinandersetzung mit der Frage danach gehen, was Natur alles ist  und was nicht, wieso sie wichtig und ob sie schützenswert ist und vor allem auch wie Menschen mit ihr interagieren sollen/dürfen.

Über all diese Ebenen sind wir also mit der Natur verbunden (Ives et al. 2018). Uns diese verschiedenen Verbindungen bewusst zu machen, birgt großes Potential für eine zukunftsfähige Gesellschaft. Viele unserer derzeitigen, schädlichen Lebensstile, Praktiken und Einstellungen beruhen auf einer zunehmend erlebten Trennung zwischen Menschen und Natur. Die sozial-ökologische Krise in der wir stecken ist auch auf eine entfremdete Mensch-Natur-Beziehung zurückzuführen. Denn nur wenn wir uns nicht mehr mit unserer Umwelt verbunden fühlen, kann Natur zur bloßen Ressource werden, die man erbarmungslos ausbeuten kann. Und umgekehrt- wenn durch die Klimakrise Naturkatastrophen häufiger und drastischer werden- dann birgt das auch die Gefahr, dass wir die Natur zunehmend als Gegnerin wahrnehmen, die es im Zaum zu halten gilt, gegen die es sich zu wehren gilt.

Um das zu verhindern ist es also wichtig sich unsere Verbundenheit mit der Natur bewusst zu sein. Tatsächlich lassen sich diese Verbindungen auch in Beziehung zu systemischem Wandel setzen. Meadows (1999) beschreibt auf welchen Ebenen und in welchen Intensitäten systemischer Wandel passieren kann. Die Skala reicht von eher seichten Eingriffen und Veränderungen, die sich schnell in Gang setzen lassen, bis zu tiefgreifenden Veränderung, die ein System fundamental transformieren. Nach ähnlicher Logik lassen sich auch die unterschiedlichen Verbindungen zur Natur kategorisieren. Unsere materielle Beziehung zur Natur lässt sich theoretisch schnell und einfach verändern, in dem wir bspw. das Ausmaß in dem wir Ressourcen nutzen regulieren. Theoretisch, weil es dafür eben scheinbar erst ein Umdenken, ein Neuverstehen unserer Rolle und Beziehung braucht. Voraussetzung dafür ist also eine Veränderung in unserer philosophischen Verbindung (welche demnach am tiefgreifenden Ende der Skala steht) – denn diese informiert uns darüber wie wir mit unserer Umwelt umzugehen haben und wie wir in Bezug zu ihr stehen (Ives et al. 2018).

Wie können also all diese Beziehungen gestärkt werden? Wie kann eine Gesellschaft ihre Beziehung zur Natur wieder aufblühen lassen? Auf materieller Ebene bzw. der Ebene der Erfahrung reihen sich zahlreiche Möglichkeiten aneinander, die vom Gemeinschaftsgarten bis zum vermehrten Zeitverbringen in der Natur reichen. Lokale Ökosysteme zu stärken und Menschen zu ermöglichen mit diesen wieder in Verbindung zu treten, kann Nahrungsmittelketten kürzen, Konsummuster verändern und lokale Beziehungen stärken. Vermehrte Erfahrung in der Natur, genauso wie mehr kognitive Auseinandersetzung kann gleichzeitig unsere emotionale Verbindung stärken. Ebenso kann Kunst eine zentrale Rolle spielen bspw. unsere emotionale und philosophische Verbindung direkt anzusprechen, da diese vielmehr als Wissenschaft das Potential hat, Emotionen und das Hinterfragen von Einstellungen und Wertehaltungen anzuregen. Aber auch spirituelle und religiöse Neuorientierungen oder Achtsamkeitspraktiken bieten Möglichkeiten Beziehungen zu reaktivieren und zu aktualisieren (Ives et al. 2018).

Wir leben nur als Teil der Natur. Die Beziehung zur Natur gehört genauso gepflegt, wie die zu guten Freund*innen. Wenn Du das nächste Mal in den Spiegel schaust- halte Ausschau danach, was dich mit ihr verbindet und frage dich, wie du deine ganze persönliche Beziehung zur Natur pflegen kannst.

Bild-Idee: Nina Mosor


Ives, C.D., Abson, D.J., von Wehrden, H. et al. Reconnecting with nature for sustainability. Sustainability Science 13, 1389–1397 (2018). https://doi.org/10.1007/s11625-018-0542-9

Kals E, Schumacher D, Montada L (1999) Emotional affinity toward nature as a motivational basis to protect nature. Environ Behav 31:178–202

Meadows D (1999) Leverage points: places to intervene in a system. The Sustainability Institute, Hartland

 
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