Dranbleiben trotz Gegenwind

Lena ist 29, unterrichtet Chemie und Mathe an einer AHS im 10. Bezirk und ist dort Klimabeauftragte. In ihrem Interview erzählt sie davon, wie man Nachhaltigkeit für Schüler:innen greifbar und attraktiv macht, von zahlreichen Herausforderungen und was wir brauchen, um Schule zu einem zukunftsfähigen Ort zu machen.

 

Du bist Klimabeauftragte an einer Wiener Schule – was bedeutet das genau?

Die Klimabeauftragten an Wiener Schulen sind ein Projekt der Stadt Wien und der Bildungsdirektion. Wir sind ein Netzwerk von Lehrer:innen, die an einer klimagerechten und zukunftsfähigen Schule arbeiten. Einmal im Monat treffen wir uns zu Workshops und zum Austausch, wie man die Themen Klima und Nachhaltigkeit in die Klassenräume zurückbringen kann und den Schüler:innen klarmacht, dass sich etwas ändern muss, damit sie eine gute Zukunft haben. Als Klimabeauftragte baue ich zum Beispiel zukunftsrelevante Themen in meinen Unterricht ein, leite an unserer Schule einen Klimaclub und organisiere Events wie Kleidertausch-Partys oder Klimafeste mit. 


Wie genau bringst du das Thema im Unterricht und im Schulalltag ein? Welche Herangehensweisen funktionieren gut?

Für viele Schüler:innen sind Klima und Nachhaltigkeit von zu Hause aus nicht wirklich bekannt oder wichtig. Ich versuche die Problematik niederschwellig aber trotzdem relevant aufzuarbeiten, damit das Thema überhaupt mal bei den Kindern ankommt und man sie dafür begeistern kann. 

Praxisbezogene Übungen, die den Kindern das Gefühl geben, dass sie direkt etwas bewirken können, funktionieren da meistens am besten. Letztes Jahr habe ich mit einer Klasse zum Beispiel mit einem Kunststoff-Projekt an einer Klimawoche teilgenommen. Wir haben dann im Chemieunterricht selbst Kunststoffe hergestellt und waren draußen trash-walken. Die Kinder sollten in einem bestimmten Zeitrahmen einen bestimmten Bereich abgehen, Müll sammeln und dokumentieren. Das hat recht gut funktioniert: Sie konnten raus, das Problem mit den eigenen Augen sehen und anfassen – und ich hab dann lauter trash-walk-Selfies von ihnen bekommen. Viele waren doch sehr überrascht, wie viel Müll rumliegt. 

Außerdem ist es wichtig, die Thematik mit Dingen in Verbindung zu setzen, die präsent im Leben der Kinder sind. Eine meiner Klassen habe ich zu verschiedenen Auswirkungen der Klimakrise Instagram-Posts erstellen lassen, oder habe den CO2-Ausstoß von einer Durchschnittsperson mit dem von Taylor Swifts Privatjet verglichen. So gewinnt man die Aufmerksamkeit der Schüler:innen und kann das Thema besser greifbar machen.

Ich lege auch viel Wert darauf, diese wichtigen Inhalte zu vermitteln ohne nur schlechtes Gewissen hervorzurufen – viele junge Menschen verbinden die Klimakrise ohnehin nur mit Ohnmacht und Traurigkeit. Ich versuche immer, meine Schüler:innen zu motivieren und zu zeigen, dass man zusammen schon Dinge schaffen kann, dass wir in einer Demokratie leben und auch eine gewisse Macht haben. Gleichzeitig möchte ich ihnen auch klar machen, wer die Fäden zieht und dass sich auch auf höherer Ebene etwas ändern muss. 


Wo kommt es dabei zu Herausforderungen? 

Bei dieser Arbeit kommt aus allen Richtungen Gegenwind. Als ich versucht habe, eine gesunde und regionale Jause durchzusetzen, hat sich die Schulkantine dagegen gestemmt; nach einem Lehrausgang zu Demokratieverständnis auf einer Klimademo bekam ich aufgebrachte Anrufe von Eltern; wenn ich in meinem Klassenraum den Müll trenne, wird er meist in den großen Tonnen wieder zusammengeleert, weil es keine Recycling-Richtlinien an Wiener Schulen gibt.

Auch im Unterricht kommt es immer wieder zu Herausforderungen – manche Übungen gehen total nach hinten los. Als ich Schüler:innen ihren CO2 Fußabdruck berechnen lassen habe, haben sie geprahlt, wer den höchsten Wert hat. Der Schüler, der nur 1,5 Erden gebraucht hat, war dann der Außenseiter, dessen Familie weniger Geld hat, nicht auf Urlaub fliegt und kein großes Auto fährt. Erst als wir dann den Earth Overshoot Day ausgerechnet haben wurde klar, dass wir viel zu viele Ressourcen verbrauchen und das doch nicht so cool ist. Einen nachhaltigen Lebensstil als attraktiv darzustellen ist tatsächlich keine leichte Aufgabe – wenn ich zum Beispiel in der Klasse erzähle, dass ich gern in Österreich wandern gehe, finden das alle fad, weil Tauchen in Ägypten ja leiwander ist. Urlaub, Geld und Autos sind in der Klassengemeinschaft wichtige Statusmarker; das führt dazu, dass Kinder die weniger haben sich unwohl fühlen und macht es sehr schwer zu erklären, dass die meisten Erden eben nicht das Ziel sind. 


Wo kann man da ansetzen?

Reflektionsfähigkeit fördern! Schüler:innen lernen im Unterricht grundsätzlich sehr viel, das ihnen Stoff zum Nachdenken geben könnte, aber oft tun sie’s einfach nicht. In 14 Fächern wird vordiktiert, für den Test gelernt und dann wieder vergessen. Wir lehren nur Theorie und für die Alltagsanwendung haben wir in der Schule keine Zeit mehr, das soll man dann daheim machen. Das ist einfach ein falscher Zugang. Statt ein Thema nach dem anderen abzuarbeiten, sollten wir schauen was gerade relevant für Alltag und Zukunft ist und wie die jeweiligen Fächer dazu passen. Außerdem müssen wir Schüler:innen aus diesem Nachplappern von Inhalten rauskriegen und sie dazu motivieren darüber nachzudenken, was gerade schief läuft auf der Welt. Manchmal hilft da der Schock von Extrembeispielen – spricht man etwa über im Meer versinkende Inseln und Städte, wird oft greifbarer was ein steigender Meeresspiegel wirklich bedeutet.

Die Lehrpläne müssen sich diesbezüglich schneller ändern und Lehrende brauchen mehr Weisungen von oben, wie man in der Schule ein bisschen nachhaltiger leben kann. Zudem muss auch im Kollegium Nachhaltigkeit ankommen und den Kindern aktiv vorgelebt werden. 


Was motiviert dich für die Zukunft?

Ich habe heuer das Gefühl, dass die Kinder wieder engagierter sind. Mit der Corona-Zeit kamen ein paar “gelähmte” Jahrgänge, die für nichts wirklich Interesse aufbringen konnten. Diese Generation kommt jetzt langsam in Fahrt, weil junge, motivierte Menschen nachkommen. Auch von Lehrer:innen kommen immer mehr Nachfragen zum Thema Klima zusammenzuarbeiten. Seit kurzem gibt es auch einen Zusammenschluss aller Klimabeauftragten im 10. Bezirk. Diese Begeisterung ist ansteckend und ich ziehe da sehr viel Energie und Motivation heraus. Und am Ende des Tages heißt es bei diesem Thema ohnehin dranbleiben – auch wenn die Motivation mal fehlt, kommt sie irgendwann wieder.

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