Klimakrise und Potential – wie passt das zusammen?

Nur, wenn wir Hoffnung haben, können wir die Klimakatastrophe verhindern. Und zum Glück gibt es allen Grund zur Hoffnung.

Dieser Text wurde erstmals als Gastkommentar in der Tageszeitung Die Presse am 25. Oktober 2022 veröffentlicht – für eine Spezialausgabe zum österreichischen Nationalfeiertag. Er entstand also während der Aufbauphase der Flourishing Society und bringt unsere Anliegen zum Ausdruck.

Bilder von brennenden Landschaften. Von überhitzten Straßen, durch die gestresste Menschen zwischen Reklamen eilen. Von dicken Kohle-Magnaten, die auf demonstrierende Menge einprügeln lassen. Aber auch Bilder von Pflanzen, die wieder hervorsprießen. Von Menschen, die sich begegnen, einander zuhören. Von einer weißen Taube. Das waren die Ergebnisse eines Workshops im Rahmen der LOCY Austria 2022 auf der Universität für Angewandte Kunst Wien vor zwei Wochen, bei denen junge Menschen Bilder kreierten, die das Wort „Klimawandel“ in ihnen auslöst.

Wenn ich nun das Wort „Potenzial“ höre, denke ich an all dies, denn jetzt ist jede Zukunft als Potenzial präsent. Aber wie kann man in der Klimakrise von Potenzial sprechen, wo doch im besten Fall alles nur nicht ganz so schlimm wird? Sind die hoffnungsvollen Bilder nicht naiv?

Möglichkeiten sind bekannt

Die Möglichkeiten für uns in Österreich, zur Lösung der ökologischen Krise beizutragen, scheinen längst bekannt: Die Treibhausgas-Emissionen müssen sinken. Hierzulande sind Industrie (32,3 Prozent im Jahr 2020 ) und Verkehr (28,2 Prozent) die größten Emissionstreiber Es gibt viel zu erledigen: Heizungen müssen getauscht und Wohnungen isoliert, Mobilität muss elektrifiziert und gemeinschaftlicher gedacht werden. Die Energieversorgung muss auf Erneuerbare umgestellt werden. Das Artensterben muss bekämpft werden.

Dass all dies und mehr geschehen „muss“ hören wir seit Jahrzehnten. Und doch sind die Emissionen zwischen 1990 und 2020 – einem Zeitraum, innerhalb dessen ich geboren wurde, meine ersten Schritte tat, mich verliebte, in der Aula „Nie mehr Schule!“ sang, studierte, im Klimaschutz aktiv wurde – nur um 0,06 Prozent gesunken. 0,06 Prozent. So gut wie nichts.

Wo ist jetzt also dieses Potenzial, wenn wir schon eine ganze Jugend lang unverändert auf den Abgrund zu rasen, obwohl alle Lösungen bekannt wären? Sind denn alle Lösungen bekannt? Ich erinnere mich an ein Gespräch mit Regierungsvertreter:innen, das wir vor Jahren bei Fridays For Future (FFF) führten; es ging dabei um die Kommunikation der Regierung zur Klimakrise. Wir forderten, sie möge die Krise in aller gebotenen Dringlichkeit kommunizieren. Die Antwort, sinngemäß: Das kann man den Menschen nicht zutrauen.

Einige Jahre später. Der erste österreichische Klimarat ist gerade zu Ende gegangen. Die 84 repräsentativ für die Bevölkerung ausgewählten Bürger:innen schreiben im Endbericht: „Wir sind keine Expertinnen und Experten, aber wir sind engagiert, offen und waren bereit, uns intensiv mit komplexen Themen auseinanderzusetzen. Wir haben an sechs Klimarat-Wochenenden intensiv gelernt, zugehört, eine Vielzahl von Ideen entwickelt und leidenschaftlich diskutiert.“

Wären sie sich auf Social Media begegnet, hätten einige von ihnen sich wohl beschimpft. Wären sie sich als Parteiangehörige begegnet, hätten sie vermutlich versucht, den anderen in der Debatte zu besiegen. Aber sie trafen sich zum Austausch und entwickelten Lösungen, die für sie alle funktionierten. Sie zeigen, dass da noch was geht.

Wenn wir davon ausgehen, dass der Homo oeconomicus nur auf den eigenen Vorteil bedacht ist, scheint die Rettung unserer Lebensgrundlage tatsächlich schwierig. Kurzfristige wirtschaftliche Eigeninteressen verhindern globale Kompromisse. Gewisse Konzerne nützen ihre Macht, um für ihr momentanes Geschäft ungünstige Klima- (bzw. Menschen-) Schutzmaßnahmen zu verhindern. Es gibt aber auch eine andere Erzählung.

Viele engagieren sich

Gerade in Österreich engagieren sich viele ehrenamtlich, von der Freiwilligen Feuerwehr über die Caritas bis hin zur Klimabewegung. Auch wissenschaftliche Studien bestätigen unsere angeborene Tendenz dazu, Freude daran zu haben, zum Wohl anderer beizutragen. In 136 Ländern wurde 2013 beobachtet, dass es Menschen glücklicher macht, Geld für andere auszugeben als für sich selbst. Eine andere Studie, erschienen 2014 in „Nature“, fand heraus, dass eine Gruppe gerne eine Vorteilsreduktion in Kauf nahm, um einer folgenden Gruppe ebenfalls einen Vorteil zu ermöglichen. Allerdings nur, wenn gemeinsam und für alle bindend entschieden wurde, sodass man sich nicht ausgenutzt fühlte. Die Bedingungen für Kooperation können geschaffen werden – das ist ein solches Potenzial.

Aber Kooperation wofür? Müssen wir nicht alle verzichten, um keine „Klima-Sünder“ zu sein? Laut den Narrativ-Expert:innen S. El Ouassil und F. Karig ist dies eine der Geschichten, die Nachhaltigkeit verhindern, indem sie sie zur Bedrohung stilisiert. Stimmt sie?

Die Psychologie kennt eine Reihe von Modellen dessen, was zu Glück beiträgt. Neben der Erfüllung materieller Grundbedürfnisse zählen dazu auch positive Beziehungen, persönliches Wachstum und Sinn. Viele dieser Faktoren haben nichts mit der Ausbeutung natürlicher und „humaner“ Ressourcen zu tun. Einige Studien beschreiben sogar, dass „Menschen mit materialistischeren Werten von mehr negativen Emotionen und weniger Verbundenheit, Autonomie, Kompetenz, Dankbarkeit und Sinn im Leben berichteten.“ (Christopher, A. N., Saliba, L., & Deadmarsh, E. J.; 2009).

Wir verzichten auf viel

Im Status quo verzichten wir auf sehr viel. Neben dem gerade Genannten denke ich an Gesundheit (etwa durch Stress und Abgase) und an Zeit für Dinge, die uns wichtig sind. Steigendes Bewusstsein dafür scheint sich auch am österreichischen Arbeitsmarkt bereits abzuzeichnen. Unsere momentane Art zu leben ist nicht so perfekt und alternativlos, wie wir meinen.

Die Menschheit ist nicht nur fähig, sich für die Rettung unserer Zivilisation zu entscheiden (wem das noch immer übertrieben vorkommt, der möge den letzten Bericht des Weltklimarats lesen) – diese kann uns sogar mehr entsprechen als der Status quo.

So oft haben wir in der Klimabewegung Politiker:innen aller Couleur in der Lähmung oder Leugnung erlebt, die die Wahl auslöst, vor der sie sich sehen: Entweder zur Zerstörung unserer Lebensgrundlage beizutragen, oder durch unpopuläre Maßnahmen aus dem politischen Spiel auszuscheiden. Aber das ist nicht die Wahl, vor der wir stehen. In jenem Seminarraum an der Angewandten sahen wir zwei Arten von Bildern. Solche vom Untergang unserer Zivilisation. Und solche, in denen wir konkrete Maßnahmen auf diesem großartigen Potenzial aufbauen: auf Kooperation und dem Wissen darum, was wir für ein erfülltes Leben brauchen. Angesichts der Erkenntnisse und Beispiele, auch hier in Österreich, wäre es naiv, optimistische Bilder abzutun.

Nur, wenn wir handeln, gibt es eine Zukunft für uns. Nur, wenn wir Hoffnung haben, können wir handeln. Und zum Glück gibt es zur Hoffnung allen Grund.

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Die Sprache des Massensterbens